R.I.P., oder "Ode an die Blaue"

Meine Freunde,
bitte teilt meinen Schmerz. Geteilter Schmerz ist halber Schmerz.

Es ist passiert, meine geliebte Blaue hat mich verlassen. Fast 8 Jahre hat sie mich klaglos quer durch Europa begleitet, mich sicher durch die weite Welt getragen. Schottland, Frankreich, Spanien, Italien, Korsika, Pyrenäen, Alpen noch und nöcher, Schwarzwald, Alb und Odenwald. 61 Megameter haben wir gemeinsam miteinander verbracht und unzählige Pseudosportler in Papageienlederkombis im Kurvengeschlängel weit hinter uns gelassen. Streetsurfing vom Feinsten.
Hunderte von Pässen haben wir gemeinsam erklommen, den Wind in unserem Haar gespürt, den Tränen des Regens gemeinsam getrotzt, sind der Sonne entgegen gefahren. Nie habe ich andere auch nur angeschaut.

Niemals liess sie mich durch irgendeine Krankheit im Stich. Auch ohne über den Winter ausgebautes Herz, sprang sie zu jeder neuen Saison klaglos an. Ihre kleinen Macken, wie Lastwechsel oder 16PS zu wenig, hab ich ihr gerne verziehen. So war sie halt, einzigartig, ihr unnachahmlicher Charakter war mir lieb und teuer. Auch ich war nicht unfehlbar und tat ihr einmal weh und ließ sie die Härte der Straße nicht nur an den Gummis spüren.
Verzeih mir, das wollte ich nicht.

Doch jetzt ist sie von mir gegangen, auf unserem Rückweg von Sizilien quer durch Kalabrien, Abruzzen, Apennin, Toskana hat sie mich beim Erklimmen des Mendelpasses mit einem kapitalen Motorschaden verlassen. ;(
Die Engel des ADAC, Gott hab sie selig, brachten sie nach Hause und der Schrauber meines Vertrauens diagnostizierte eine kaputte Kurbelwelle und diverse andere dadurch verursachte Schäden. 2000 Silberlinge sei der Preis, sie wieder ins Leben zurück zu rufen. Schluck.
Die Entscheidung ist gefallen, es kann nur eine sein, auch wenn das Herz mir blutet. Ich weiss, es ist das Richtige: Ich werde ihr im Haus des Schraubers die letzte Ruhestätte einrichten, das finale Ölbad einlassen, den Zündschlüssel des Lebens das letzte mal drehen.

In meiner Trauer erinnere ich mich an die einzigartigen Worte von H.W. Auden (Vier Hochzeiten und ein Todesfall)

...
Sie war mein Nord, mein Süd,
mein Ost und West,
meine Arbeitswoche
und mein Sonntagsfest.
Mein Gespräch, mein Lied,
mein Tag, meine Nacht.
Ich dachte, Liebe währet ewig:
falsch gedacht.
...

Aber es muss wohl des Schicksals Fügung sein, daß dort, an der' Blauen Ruhestätte, ein silbernes Etwas sich in mein Auge stahl, ein bischen jünger, etwas feiner, ebenfalls hochbeinig und wohlgeformt. Mit 900ccm und katalytisch, reinem Atem.
Nein, denkt nichts Böses von mir, "Kaum ist die alte tot, bandelt er mit einer neuen an". Ich glaube, sie hätte gewollt, daß ich nicht alleine bleibe in dieser nun so tristen Welt. Und wer kann sie besser vertreten, nicht ersetzen, als ihre Schwester im Geiste? Wohl niemand. Keine vierbrüstige Fazerine, Kein Bayrisches Madel Wohl, auch ein Triumphierendes Raubtier schafft das nicht.

So soll es denn wohl sein und sie meine Neue werden.
Doch meine Erste, meine Blaue wird immer einen Ehrenplatz in meinem Herzen behalten.
Ruhe in Frieden, meine Teure, ich werde dich nie vergessen. Möge die Quelle des Benzins im Moppedhimmel ewig für dich sprudeln. Ich weiss, es geht dir gut ...

Reiner,
gramgebeugt, doch voller Hoffnung auf die Zukunft ...